Adolf Hölzel und sein Weg zur Abstraktion
Bei nur wenigen Maler:innen lassen sich in ihrem Gesamtwerk so ungewöhnlich große Entwicklungsschritte aufzeigen wie bei Adolf Hölzel. 1872 schreibt er sich zunächst als Gastschüler, dann als ordentlicher Student an der Wiener Kunstakademie ein. Später führt ihn sein Weg über München nach Dachau, wo er sehr erfolgreich eine private Malschule leitet und nebenbei die Modernität seines eigenen künstlerischen Schaffens vorantreibt. 1905 wird er an die Kunstakademie nach Stuttgart berufen, hier gelingt ihm der Durchbruch zur abstrakten Malerei. Als Lehrer ist er sehr geschätzt und versammelt einen großen Kreis an Schüler:innen um sich; gemeinsam stellen sie erstmals 1916 mitten im Ersten Weltkrieg ihre modernen Werke in Freiburg aus. Zu Hölzels Schülern gehören unter anderem Willi Baumeister, Johannes Itten und Oskar Schlemmer. Insbesondere durch Johannes Itten, der wenige Jahre später am Bauhaus unterrichtet, fließt Hölzels Lehre auch dort in den vorgeschriebenen Vorkurs ein. Außergewöhnlich an der Freiburger Ausstellung ist neben dem Zeitpunkt und der Modernität der Werke zudem die große Zahl der vertretenen Künstlerinnen. Sechs Jahre zuvor,1910, hat Hölzel die Damenklasse der Stuttgarter Akademie übernommen. Gerade unter seiner Leitung erfreut sie sich regen Zuspruchs. Künstlerinnen wie Ida Kerkovius, Käthe Loewenthal und Lily Hildebrandt gehen hier in den Unterricht.
Nach seiner Pensionierung 1919 lebt Hölzel bis zu seinem Tod 1934 in seinem Haus in Stuttgart-Degerloch. Hier entsteht ein umfassendes Spätwerk, in dem er neben zahlreichen Zeichnungen die Technik des Pastells perfektioniert. Aber auch private und öffentliche Aufträge werden an Hölzel herangetragen. So kann er bereits ab 1915 mit abstrakten Glasfenstern für das Konferenzzimmer der Keksfabrik Bahlsen in Hannover die Verbindung zwischen der freien und angewandten Kunst realisieren. Somit zeugt Hölzels Werk nicht nur von einer beeindruckenden künstlerischen Entwicklung, sondern auch von einer großen Vielfalt der künstlerischen Mittel.
Raumansicht
Nach seinem Studium in Wien wechselt Hölzel 1876 an die Münchner Akademie, wo Wilhelm von Diez sein Lehrer ist. Diez übt großen Einfluss auf die Ausbildung der realistischen Münchner Malerei aus, die in eher dunklen, tonigen Farben eine altmeisterliche Malweise anstrebt. Hölzels frühe Bilder sind noch stark von diesem Stil geprägt. Mit großem Fingerspitzengefühl modelliert er mit einer fein differenzierten Farbgebung das Gesicht des verschmitzt lächelnden Mannes. Auch der weiße leicht verknitterte Kragen sowie das schwarze aus kostbarem Stoff und mit Troddeln versehene Oberteil zeigen diese Vorliebe fürs Detail und erinnern an die damals in München beliebte holländische Mode, bei der man sich an den großen holländischen Malern des 17. Jahrhunderts orientiert. Ebenso verweist die Darstellung des Mannes als Brustbild vor dunklem Hintergrund auf die in Holland sehr beliebten Bilder der Tronies, deren Thema die Charakterisierung bestimmter Menschentypen ist.
Die klassische akademische Ausbildung, die noch stark im 19. Jahrhundert verankert ist, bildet für Hölzel die Basis seiner weiteren Entwicklung. Mit Hilfe der Unterstützung seines Vaters kann er ab 1882 als freier Maler mit seiner Frau und seinem Sohn in München leben.
1887 unternimmt Hölzel seine wohl erste Reise nach Paris. Obwohl man wenig über seinen Aufenthalt weiß, ist anzunehmen, dass er die Werke des französischen Impressionismus sieht und stark beeindruckt ist. Nach seiner Rückkehr im Herbst zieht er nach Dachau. Die ungewöhnliche Landschaft des Dachauer Mooses mit ihrer erhaltenen Ursprünglichkeit und Wildheit fasziniert um die Jahrhundertwende viele Maler:innen, die hier der damals beliebten Freilichtmalerei nachgehen. Um finanziell unabhängig arbeiten zu können, gründet Hölzel in Dachau 1891 eine private Malschule.
Hölzel vollzieht hier einen wesentlichen Schritt hin zur Avantgarde. Seine theoretischen Überlegungen zum Bild- und Flächenaufbau zeigen sich gerade in den Dachauer Werken. In »Dachauer Moos II« ist der Bildaufbau auf die große fast kreisrunde Baumkrone ausgerichtet. Die Kreiskomposition wird Hölzel zeitlebens beschäftigen, steht doch der Kreis für Einheit und Harmonie. Als große Form kann er kleinere Teilformen in sich aufnehmen und zusammenfassen – ein Aspekt, der für Hölzel zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Im Vordergrund des Bildes streben die Linien und Formen auf das in der Mitte stehende Haus zu, das mit seinen klaren Linien wiederum zu der runden Baumkrone in Kontrast gesetzt ist. Im Vergleich zu früheren Arbeiten ist die Pinselführung nun viel freier und kraftvoller. Auf Details verzichtet Hölzel weitestgehend, vielmehr konzentriert er sich bei der Komposition auf die Gestaltung mittels Formen und Farbe. Die Farbpalette bleibt mit ihren gedämpften Farben eher tonig und wirkt im Vordergrund sehr erdverbunden, fast schwer. Beim Himmel entscheidet sich Hölzel gegen einen deckenden Farbauftrag. Stattdessen lässt er Partien der hell grundierten Leinwand sichtbar stehen, was wesentlich zur Stimmung des Himmels beiträgt.
Die Komposition ist ausgerichtet auf die beiden großen Engel mit den leuchtend gelben Gewändern, die Maria mit dem Kind huldigen. Die zeltartige Wand hinter ihnen fasst alle Figuren in einer Dreieckskomposition zusammen. Die Spitze dieses Zeltes teilt die Bildfläche im Goldenen Schnitt und schafft durch die Verschiebung aus der Mitte Spannung. Die drei kleinen Figuren links im Bild sind mit ihrer tief gebückten Haltung und farblichen Ausführung kaum als solche zu erkennen. Die Architektur und die landschaftlichen Elemente sind vereinfacht dargestellt. Sie bestehen aus einzelnen Farbparzellen, die lediglich durch starke verschiedenfarbige Umriss- und Strukturlinien eine Form annehmen. Nur der Blick auf den Himmel oben links erzeugt ein wenig Tiefenwirkung. Hölzel abstrahiert zunehmend, so betont er die gelben Engelsgewänder mit nur wenigen pastos gesetzten grünen Pinselstrichen. Auf Details bei den Gesichtern verzichtet er ganz. Dagegen beobachten der Ochse und der Esel am linken Bildrand sehr aufmerksam die Anbetung. Ohne ihre großen Augen könnte man sie fast übersehen.
Das Bild setzt eine Richtung fort, die Hölzel bereits 1905 in einer kleinen Arbeit mit dem Titel »Komposition in Rot I« erprobt hat und deren Modernität sich stark von den anderen Arbeiten unterscheidet. In ihr hat er seine kunsttheoretischen Überlegungen zum Flächenaufbau sowie zum Einsatz der nicht an den Gegenstand gebundenen Farbe wesentlich vertieft. Zunächst bleibt das bahnbrechende Werk jedoch als Geheimnis im Koffer, der Weg aber ist nun vorgegeben und wird in der Arbeit »Anbetung der Engel« weiterverfolgt. Bestärkt wird Hölzel in seinem neuen Malstil durch Arbeiten von van Gogh, Gauguin, Cézanne sowie Werken der europäischen Avantgarde, die er in Ausstellungen sieht.
Das Bild entsteht im Rahmen eines Auftrags für die Werkbundausstellung 1914 in Köln. Hölzel entwirft einige Arbeiten, die Szenen aus der Kölner Stadtgeschichte und Altkölner Heiligenlegenden zeigen, wie die der heiligen Ursula, die mit ihren Begleiterinnen auf einer Pilgerfahrt von den Hunnen in Köln getötet wird. Er malt die Heilige in mehreren Variationen bei der Ankunft des Schiffs. Zwei Figuren mit Heiligenschein sitzen im Schiff, am rechten Bildrand führen einige Stufen nach oben, wo die Ankömmlinge bereits erwartet werden. Kräftige Pinselstriche betonen die Figuren und heben sie vom Hintergrund ab, der aus kontrastreichen Farbflächen besteht.
Die Arbeiten bleiben Vorstudien. Der eigentliche Auftrag wird von einigen seiner Schüler:innen übernommen, denn Hölzel sieht seine Rolle als Lehrer darin, ihre Kreativität zu wecken und sie auf dem Weg zur eigenen künstlerischen Entfaltung zu begleiten. Mitunter überträgt er ihnen daher öffentliche Aufträge wie hier im Fall der Werkbundausstellung. Nach einem schülerinternen Wettbewerb, den Willi Baumeister, Hermann Stenner und Oskar Schlemmer gewinnen, entstehen zwölf große Wandbilder für den Eingangsbereich der Ausstellung. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs muss die Werkbundausstellung früher geschlossen werden. In den folgenden Wirren gehen die dort gezeigten Arbeiten verloren. Hölzel und seinem Kreis gelingt es jedoch, sich einem großen Publikum als wichtiger Teil der Avantgarde zu präsentieren.
Nachdem Hölzel sich zunehmend von der gegenständlichen Darstellung der Figuren entfernt hat, greift er das frühere Thema der, wie er es nennt, »Überflutung« durch eine Farbe wieder auf. Es entsteht eine Reihe von Bildern, in denen die Farbe Rot dominiert, aber in Kontrast gesetzt wird zu den beiden anderen Primärfarben Gelb und Blau sowie zur Komplementärfarbe Grün.
In »Komposition in Rot II« scheint auf den ersten Blick ein wildes Durcheinander von Farben und Linien zu herrschen. Versenkt man sich jedoch bei der Betrachtung in die Strukturen, entdeckt man mittig die bestimmende Form eines über Eck gestellten Quadrats, dem verschiedene Figuren eingeschrieben sind. So erkennt man zu beiden Seiten der zwei etwas größeren grünen Farbflächen zwei sich gegenübersitzende Figuren im Profil. Ihre Gesichter und ihre Halsausschnitte sind gelb, die Kleidung und die Kopfbedeckung sind in Rot gehalten. Auch an den seitlichen unteren Bildrändern lassen sich verschiedene Figuren ausmachen. Oben wirkt das Quadrat wie eine Dachkonstruktion. Fast mutet es so an, als würde die ganze Bildkomposition von einer Sonne in der oberen linken Bildecke beschienen.
Die Balance zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion ist Hölzel ein wichtiges Anliegen, denn das Erkennen von Figuren kann die Aufmerksamkeit wecken, um dann bei der Betrachtung die Fantasie zu beflügeln. Auch die Maltechnik »à la prima«, das heißt des spontanen Arbeitens auf der Leinwand ohne exakte Vorzeichnung, trägt zur gewollten Interaktion mit dem Bild bei. Indem es unvollendet erscheint, regt es dazu an, sich mit ihm zu befassen.
Immer wieder überrascht Hölzel in seinem Werk mit damals ungewöhnlichen Bildkompositionen und experimentellen Ansätzen. Bereits früh arbeitet er mit dem Prinzip der Collage, indem er ausgerissene Papier- und Stoffstücke auf einen Untergrund aufklebt, um angedachte Kompositionen zu überprüfen. Auch bei der Werkgruppe der »Tubenbilder«, bei denen er die Farbe direkt aus der Tube auf Karton aufträgt, verfolgt er dieses Ziel. Er selbst bezeichnet diese Arbeiten als seine Strickbilder, denn die Farbe liegt wie Fäden pastos auf dem Bildgrund. Die so entstandene Oberflächenstruktur verleiht dem Bild mit ihrer Reliefhaftigkeit eine starke haptische Qualität.
Wie bei allen Arbeiten dieser Werkgruppe sind die Flächen in »Ornament VIII« symmetrisch linear aufgeteilt und zeigen unterschiedlichste Strukturen, die zu einem Oberflächennetz verbunden werden. Lediglich die Farbe Blau verleiht der Komposition etwas räumliche Tiefe. Hölzel schafft eine starke Annäherung an das damals bei der Avantgarde sehr beliebte Ornament als ein sich wiederholendes abstraktes oder stark abstrahiertes Flächenmuster.
Häufig bezieht er bei den Tubenbildern auch den Holzrahmen in die Gestaltung mit ein, sodass Gesamtkunstwerke im kleinen Format entstehen, die durch ihre Farb- und haptischen Qualitäten überraschen. Ebenso mag es erstaunen, dass er die Arbeiten dieser fast zehn Werke umfassenden Gruppe im noch nassen Zustand aufeinanderstapelt, wodurch die Farbstränge teilweise wieder zerdrückt werden.
Seinen Arbeitstag beginnt Hölzel mit intensiven Fingerübungen, seinen »täglich tausend Strichen«, denn wie bei Musizierenden kann auch ein Maler nur bei manueller Beherrschung des Instruments zu Höchstleistungen finden. Diese Übungen, die er mit einem Grafitstift, einer Feder oder einem Pinsel auf Papier, mal in größerem Format, mal auf kleinen Papieren durchführt, dienen ihm auch zur Entspannung. Durch die Konzentration auf den Schwung des Strichs könne sich in einem solchen »Geistigen Bad« das Künstlerische stärker entfalten.
Die dabei entstehenden Gebilde sind sehr unterschiedlich. Manchmal füllen sie die ganze Bildfläche, ein anderes Mal erscheinen sie wie Zellen, die sich in verschiedenen Größen und Formationen über den Bildgrund erstrecken. Insbesondere Arbeiten wie »Schwarze Ornamente auf braunem Grund« beeindrucken wegen ihrer sich aus dem Strich heraus entwickelten Eigendynamik. Darüber hinaus sorgen unbeabsichtigte Tintenflecke für zufällige Effekte.
Mit kritischem Blick sortiert Hölzel viele dieser Fingerübungen aus. Die Blätter, die ihn überzeugen, werden zu einer wichtigen Grundlage für weitere Werke. Zudem nimmt Hölzel mit seinen Fingerübungen eine Leitidee der Abstraktion und des Surrealismus vorweg, nämlich das automatistische Arbeiten – ein Schaffensprozess, bei dem die Künstler:innen tief in sich versenkt das Werk frei aus sich entspringen lassen.
Zur handwerklichen Übung und Entspannung bringt Hölzel »täglich tausend Striche« aufs Papier. Begleitet werden sie von kunstvoll niedergeschriebenen Gedanken und Überlegungen seiner kunsttheoretischen Ansätze. Mehr als 2000 der sogenannten Schriftsockelblätter entstehen auf diese Weise im Laufe der Jahre. In ihrer Gestaltung können sie sehr unterschiedlich sein. Manchmal sind es nur mehrere kleinere Zeichnungen, die von einem handschriftlichen Text begleitet werden. Ein anderes Mal nehmen sie die ganze Blattbreite ein und sind eng mit dem Fließtext verzahnt. Teilweise scheint sich die Schrift in ihrer Größe und Ausführung den Zeichnungen unterzuordnen. So gehen diese Blätter über das reine Festhalten einer Kunsttheorie hinaus, vielmehr haben sie den Charakter eigenständiger Text-Bild-Kompositionen.
Hölzel hat hier eine sehr ungewöhnliche Form der Textfixierung gefunden, denn der Ausgangspunkt ist die Zeichnung. Durch sie wirft er den Blick auf Kompositions- und Flächenstrukturen, wobei er als Maler auch die Farben mit einbezieht. Die Blätter gewähren einen tiefen Einblick in Hölzels Kunsttheorie, die er abgesehen von einigen Beiträgen in Zeitschriften nie in zusammenhängender Form publizierte. Außer aus diesen Schriftsockelblättern kennen wir viele Details seiner Lehre aus den Mitschriften und Notizen seiner Schüler:innen.
1919 wird Hölzel pensioniert und zieht in sein Haus nach Stuttgart-Degerloch. Ab 1925 wird das Pastell seine bevorzugte Technik. Die Arbeit mit Pastellstiften hat viele von ihm geschätzte Vorteile wie beispielsweise die intensive Farb- und Leuchtkraft, die samtige Oberflächenbeschaffenheit und die Möglichkeit, anders als beim Malen mit einem Pinsel, bei gleichbleibender Intensität und Breite lange Striche malen zu können, ohne auf das Trocknen der Farben Rücksicht nehmen zu müssen.
In »Spiralkomposition« sind wichtige Elemente von Hölzels Kunst vereint. Die Konzentration auf das Zentrum mittels zweier Kreise offenbart seine Vorliebe für die Rundform, die in ihrer Anlage an einen Farbkreis denken lässt, der Komposition aber auch Ausgewogenheit und Ruhe verleiht. Durch den Einsatz der vielfältigen Farbkontraste gelangen die Farben zu ihrer höchsten Leuchtkraft. Primärkontraste wie Rot-Blau-Gelb stehen neben Komplementärkontrasten wie Rot-Grün. Den pastos-deckenden, gerade im unteren Teil eher kleinflächigen Farben wirken die hellen großen Partien des äußeren Kreises entgegen. Hölzel bezieht hier sogar den teilweise sichtbar belassenen Malgrund für die Wirkung mit ein. Warm-Kalt-Kontraste sind über die ganze Fläche verteilt, viele Flächen werden durch eine deutliche Umrisslinie zusätzlich betont.
So zeigt diese Arbeit das Spannungsfeld der künstlerischen Mittel, bringt mit Formen, Farben und Linien Rhythmik, Bewegung sowie Harmonie zum Ausdruck und kann völlig befreit von der Gegenstandsbezogenheit ihre ganze Wirkung in der Abstraktion entfalten. Hölzel verwirklicht hier seine Vorstellung der »absoluten Malerei«, die ähnlich wie Musik in ihrer Immaterialität sich von der Welt des Sichtbaren löst.
Hölzels künstlerische Entwicklung, sein Umgang mit Farbe, Form und Linie, machen sein Werk leicht übertragbar in die Glasmalerei. So verwundert es nicht, dass er mehrfach mit entsprechenden Entwürfen betraut wird. Den ersten Auftrag erhält er 1915 für das Konferenzzimmer der Keksfabrik Bahlsen in Hannover. Die Fenster gehören zu den frühesten Beispielen abstrakter Glasfensterkunst.
Bei ihrem Entwurf kann Hölzel insbesondere seine Idee einer »musikalischen Malerei« verwirklichen, werden doch die Farben durch das transparente Glas und den Lichteinfall in ihrer Wirkung und Leuchtkraft zusätzlich gesteigert und erhalten eine Immaterialität, wie es eigentlich der Musik zu eigen ist. Hölzel, der aus einem musikalischen Elternhaus stammt und selbst bis ins hohe Alter Geige spielt, sucht immer wieder das Gemeinsame von Malerei und Musik. So fordert er auch für die Malerei eine verbindliche Harmonielehre, wie es sie für die Musik bereits gibt. Ähnlich den Notenschlüsseln legt er Farbenschlüssel fest, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Farbkontraste ins Gleichgewicht gebracht werden. Als Grundlage entwickelt er hierfür mehrere Farbkreise, ausgehend vom Urdreiklang der drei Grundfarben bis hin zu einem zwölfteiligen Farbkreis mit Primär-, Sekundär- und Tertiärfarben. Auf dieser Basis komponiert Hölzel, ähnlich wie der von ihm verehrte Johann Sebastian Bach, seine polyphonen Werke. Ein besonderes Augenmerk legt er hierbei auf den von ihm für die Malerei definierten Septimenschlüssel, bei dem er die im achtteiligen Farbkreis nebeneinanderliegenden oder in größter Distanz zueinanderstehenden Farbpaare verwendet. Zum Ausgleich werden diese in reine Farben eingebettet. Die sogenannten Nichtfarben wie Schwarz, Weiß oder Grau entsprechen für ihn den Pausen in der Musik.
Neben der Farbgestaltung spielt zudem die Form eine wichtige Rolle. Bestimmend ist bei jeder Teilscheibe eines gesamten Fensters eine Rundform, denn für Hölzel ist der Kreis Sinnbild für Einheit und Harmonie. Diese muss nicht zwingend mittig angeordnet werden, kann sie doch in der Größe variierend und andere Teilgläser zusammenfassend immer die angestrebte Harmonie unterstreichen.