Erst recht spät in Anton Stankowskis Werk löst sich die Diagonale von der engen Bindung an das Quadrat. »Abzweigungen« ist, wie sein ebenfalls in der Sammlung des Kunstmuseums bewahrtes Gegenstück »Richtungen«, ein Beispiel für dieses Selbstständig-Werden des Gestaltungselements. Es scheint, als wollten die buntfarbigen Bänder von der neu gewonnenen Unabhängigkeit Gebrauch machen, indem sie aus der parallelen Grundformation ausbrechen und in verschiedene Richtungen streben und zu entfliehen suchen. Dabei folgen weder die Farbverteilung noch die Richtungsverläufe einer symmetrischen Ordnungsstruktur oder einem regelmäßigen Verteilungsprinzip, wie sie so oft bei Stankowski begegnen. Die Farbbänder knicken an einer ebenfalls schrägen Bruchkante ab und lassen dabei an das Phänomen der Lichtbrechung denken, wenn etwa ein Lichtstrahl an der Wasseroberfläche abgelenkt wird und seine Richtung unvermittelt ändert. Und obwohl dies hier nicht nach Gesetzmäßigkeiten der Natur geschieht, ist das Bild keinesfalls Zufallsprodukt oder Ergebnis eines Willkürakts – denn der künstlerische Gestaltungswille ist bei jeder Einzelform wie auch in der Gesamtkomposition unverkennbar.
Werkdaten
- Inventarnummer: 2022-231
- Material / Technik: Acryl auf Leinwand
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart, Schenkung der Stankowski-Stiftung