Das hier gezeigte Gemälde gehört, wie so oft bei der Konkreten Kunst Anton Stankowskis, zu einem mehrteiligen Reihenbild. Der Haupttitel benennt lapidar, was in der Abfolge der Gemälde vonstattengeht: Von Bild zu Bild die Verwandlung »vom Kreuz zum Quadrat«. Diese ist eine einfache Operation: Die vier Balkenformen in Rot, Grün, Blau und Schwarz, die sich anfangs auf gelbem Grund zu dem fraglichen Kreuz fügen, verlieren schrittweise an Länge und gewinnen an Breite und umgekehrt, bis sie schließlich wieder eine gestreckte Rechteckform besitzen. In um 90 Grad gedrehter Ausrichtung schmiegen sie sich nun an die Bildränder. Im selben Maß, wie sich die bunten Elemente verwandeln, gewinnt die zunächst kaum auszumachende beige Quadratform im Bildzentrum an Größe und Bedeutung. Sie wird zusehends zum bildbeherrschenden Motiv. Die Frage, die Anton Stankowski hier verhandelt, lautet: Wo ist der Kipppunkt in dieser geometrischen Konstellation, an dem in der Wahrnehmung das beige Quadrat die Dominanz über die Kreuzform erlangt. Dieser lässt sich exakt benennen: Es ist der Moment, in dem alle Elemente ein Raster aus gleich großen Quadratflächen bilden. Der ironisch-spielerische Untertitel »Kreuzweg« eröffnet zugleich ein weiteres Assoziationsfeld: das der christlichen Passion. Doch anders als in der neutestamentlichen Erzählung vom Leidensweg Christi mündet das Voranschreiten von Station zu Station bei Stankowski nicht in einen Erlösungsakt, sondern in einer fundamentalen Erkenntnis über Wahrnehmungsprozesse.
Werkdaten
- Inventarnummer: 2022-245c
- Material / Technik: Öl auf Leinwand
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart, Schenkung der Stankowski-Stiftung