Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ist das Leben der Menschen von großer Not und Armut geprägt. Auch der Maler Georg Scholz leidet Hunger, und als er versucht, auf dem Land etwas Essen für sich, seine Frau und den Sohn zu bekommen, wird er von einem Bauern harsch abgewiesen. „Was Sie brauchen, finden Sie auf dem Komposthaufen“, soll dieser zu Scholz gesagt haben. Dieses entwürdigende Erlebnis verarbeitet Scholz in der hier gezeigten Lithografie, von der es auch eine Ausführung in Öl gibt.
Scholz' Antwort fällt ebenso ruppig aus. Aufrecht und mit strengem Blick sitzt der Hausherr in der Mitte, die Bibel trägt er am Herzen – aber nimmt man ihm seine Frömmigkeit ab? Neben ihm sitzt seine nicht weniger fromme Frau, die mit ihrer prankenartigen Hand das kleine Ferkel fürsorglich liebkost. Dessen Gesichtsausdruck spricht jedoch eine andere Sprache, und auch der zukünftige Herr des Hofes scheint mehr an Tierquälerei als an Tierwohl interessiert zu sein. Schaut man aus dem Fenster, fällt der Blick auf einen wohlbeleibten Geistlichen, unter dessen kirchlichem Gewand sich ein Huhn verbirgt. Habgier und Profit beherrschen die Gesellschaft, und es sind insbesondere Maler wie Georg Scholz, die solche Zustände nach dem verheerenden Krieg ins Blickfeld rücken und mit ihrer Kunst anprangern.
Scholz gehört zu den Malern der Neuen Sachlichkeit der 1920er-Jahre. Sie entsteht als Reaktion auf die Wirren des Krieges. Beim sogenannten veristischen Flügel dieser Stilrichtung stehen sozialkritische Themen im Vordergrund der detailgenauen Darstellungsweise.
Das zur hier gezeigten Lithografie zugehörige Ölgemälde stellt Scholz erstmals 1920 auf der »Ersten Internationalen Dada-Messe« in Berlin aus, einer Ausstellung, in der es den Künstler:innen gelingt, ihre ganze Wut auf die maßgeblichen Verantwortlichen zum Ausdruck zu bringen.
Werkdaten
- Inventarnummer: L-0688
- Material / Technik: Lithografie
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart