Das Tuch mit weißer Schrift auf schwarzem Grund trägt die wohl bekannteste Randnotiz aus Rosa Luxemburgs unvollendetem Manuskript »Zur Russischen Revolution« von 1918. Das Tuch wölbt sich leicht vor, da es ein an der Wand hängendes Bild verhüllt. Diese Arbeit war Teil einer Installation für die Documenta IX (1992), bei der Joseph Kosuth sämtliche Kunstwerke der Kasseler Neuen Galerie verhüllte. Jedes Tuch trug dabei ein anderes, im kulturellen Gedächtnis verankertes Zitat.
Kosuth ist ein wichtiger Vertreter der amerikanischen Konzeptkunst, bei der sprachlich begründete Prozesse traditionelle, form- und inhaltsbestimmte Kunst ersetzen. Wie Walter Benjamin in seinem »Passagen-Werk« die Leser:innen die Spuren eines verschwundenen Paris des 19. Jahrhunderts auflesen lässt, liest Kosuth die Spuren »geflügelter Worte« auf. Ihre Bedeutung ist dann in der Gegenwart zu verhandeln. So kann Luxemburgs Notiz heute als Aufruf zu einer Revolution verstanden werden, die auf eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft abzielt. Mit diesem Verständnis von Freiheit wollte Luxemburg 1918 auf die gefährliche Tendenz zur sozialistischen Diktatur hinweisen. Kosuth gibt keine Lesart vor, sondern zeigt die Schwebe des Bedeutens.
Werkdaten
- Inventarnummer: O-2975b
- Material / Technik: Weißer Siebdruck auf schwarzem Baumwollstoff
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart