Anne Marie Jehles Kunst bewegt sich in einem Spannungsfeld von persönlicher Wahrnehmung der eigenen Rolle als Künstlerin und als Frau und den Erwartungen, die die Gesellschaft mit diesen Rollen verbindet. Einhergehend damit sind Machtverhältnisse ebenso ein immer wiederkehrendes Thema in ihrer Kunst. Ihre Werke, die sie aus Materialien des Alltags fertigt, lassen sich als feministische Selbstbehauptung verstehen.
»alemannen alefrauen alekinder aleluja aleluja alezeit« schreibt sie hier auf die Innenseite eines flachen Holzkastens. Der Text ist jedoch nur schwer zu lesen, da sie ihn spiegelverkehrt und in Sütterlinschrift geschrieben hat. Die Worte in der letzten Zeile ergeben zudem keinen Sinn. Der Text selbst ist in ein komplexes Verweissystem eingebunden. Er nimmt Bezug auf das Thema Heimat, das Jehle in ihren Arbeiten immer wieder aufgreift. Weite Teile ihres Lebens verbringt sie in ihrem Haus in Feldkirch. In der Wortfolge spielt Jehle im Stil von Kirchenliedern mit der alemannischen Sprache ihrer Heimatregion. Die Vorsilbe »ale-« fügt sich an eine Reihe von Worten und kennzeichnet sie dadurch als zusammengehörig. Die Worterweiterung kann zugleich auch als Welterweiterung verstanden werden. So werden nicht nur Männer zu Weltbürgern, sondern auch Frauen und Kinder, die nun als Teil der Gesellschaft sprachlich mit einbezogen werden.
Schrift und Sprache spielen eine große Rolle in Jehles Werk. Hierin zeigen sich ihre engen Verbindungen zur Fluxus-Bewegung, deren Künstler:innen Sprache oft bruchstückhaft oder verfremdet einsetzen.
Werkdaten
- Inventarnummer: 2022-037
- Material / Technik: Faserschreiber und Farbe auf Holz
- Creditline: Schenkung Anne Marie Jehle Stiftung