In dem Gemälde »Die kleine Zirkusreiterin« nimmt die Artistin fast die ganze Bildfläche für sich und ihr Pferd ein. Das Publikum, das Paul Kleinschmidt als anonyme Menschenmenge festhält, erscheint nur in einer schmalen Zone im Hintergrund. Kokett und offen mit ihren körperlichen Reizen spielend, steht die Reiterin freihändig auf dem Schimmel und blickt die Betrachtenden einladend lächelnd an.
In einer für ihn typischen Direktheit führt uns Paul Kleinschmidt immer wieder die Welt des Zirkus als Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft vor Augen. Sie steht zwar für Freiheit und Abenteuer und ist doch von der Anerkennung des Publikums abhängig. Dies ist ein Widerspruch, dem sich auch Künstler:innen ausgesetzt sehen, was die Häufigkeit des Motivs in der bildenden Kunst erklärt.
Aus einer Künstlerfamilie stammend, der Vater war Direktor einer Wanderbühne und die Mutter Schauspielerin, wächst Paul Kleinschmidt in der schillernden Welt des Zirkus auf. Dem Milieu ähnliche Szenen entdeckt er als Maler im legendären Berliner Nachtleben der 1920er-Jahre wieder und setzt sie im Bild um. Er selbst schätzt die Unabhängigkeit, schließt sich keiner Künstlervereinigung an, sucht aber die Nähe von bedeutenden Sammlern. So folgt er 1927 einer Einladung von Wilhelm Bilger nach Ulm, wo er einige Monate arbeitet und nach in Berlin gefertigten Skizzen die »Kleine Zirkusreiterin« malt. Sein eigenständiger Stil mit dem kraftvollen Pinselstrich, der gedämpften Farbpalette und ungewöhnlichen Bildausschnitten wird hier besonders augenfällig.
Werkdaten
- Inventarnummer: O-2183
- Material / Technik: Öl auf Holz
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz
1927–1927/1928 Paul Kleinschmidt, Berlin, Ulm; 1927/1928–mindestens 1974 Wilhelm Klaus Bilger, Ulm; mindestens 1974–1978, 18.12. Adolf Merckle, Blaubeuren; 1978, 18.12. Galerie der Stadt Stuttgart (Kunstmuseum Stuttgart)