Der Hirte sitzt ganz still und in sich versunken in der in erdigen Tönen ausgeführten Landschaft. Auch seine zu einer geschlossenen Gruppe angeordneten Tiere strahlen diese Ruhe aus. Wie wichtig für Luise Deicher die Komposition ist, lassen die parallele Anordnung der beiden Tierköpfe in der Bildmitte und die strukturierenden kahlen Baumstämme im Hintergrund erahnen. Die abstrahierende Flächenaufteilung der Landschaft verrät noch deutlich Hölzels Unterricht. Und trotzdem ist das Gemälde mehr als reine Komposition, steht doch der Hirte seit alters her für Fürsorglichkeit und Schutz und wird gerade in der christlichen Symbolik mit Christus gleichgesetzt.
Bereits als 17-Jährige nimmt Luise Deicher 1908 das Studium der Malerei an der Stuttgarter Kunstschule auf, sie besucht zunächst die Damenklasse bei Gustav Igler, dann bei Adolf Hölzel. Als dessen Schülerin darf sie 1912 an einer Sommerexkursion nach Monschau in der Eifel teilnehmen, die sie auch zu der epochalen Sonderbundausstellung in Köln führt. Hier kann Luise Deicher wie viele ihrer Zeitgenoss:innen fasziniert erstmals Werke vieler berühmter Maler wie Cézanne, Picasso oder der deutschen Expressionisten im Original sehen. Gerade kubistische Arbeiten hinterlassen Spuren in ihrem Werk. Auch der Wechsel 1913 in die Komponierklasse von Heinrich Altherr erweist sich als folgeträchtig: Luise Deicher orientiert sich an dessen eher dunklen, tonigen Farbpalette und wendet sich wieder verstärkt der figürlichen Darstellung zu. Das Hirtenbild spiegelt eindrücklich diese Werkphase.
Werkdaten
- Inventarnummer: O-0385
- Material / Technik: Öl auf Leinwand
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz
o.D.–1936 Emma Klein, Witwe des ehem. Ersten Bürgermeisters Stuttgarts während der Weimarer Republik, Dr. Gottfried Klein; 1936, 12.11. Städtische Galerie (Kunstmuseum Stuttgart)