Fenster aus dem Treppenhaus des ehemaligen Stuttgarter Rathauses

AusgestelltSammlung 0 Raum 6

Adolf Hölzel gehört zu den bedeutenden Vertretern der modernen Kunst. Er trägt zur Entwicklung der ungegenständlichen Malerei bei. 1928 fertigt er im Auftrag der Stadt Glasfenster für das Rathaus. Anlässlich des Besuchs von Adolf Hitler in Stuttgart 1937 werden sie als »entartete Kunst« entfernt und eingelagert. Ein Jahr später kauft sie der Stuttgarter Unternehmer und Sammler Paul Beck.
Beck wird im Remstal in ärmlichen Verhältnissen geboren. Als Oberingenieur arbeitet er sich zum erfolgreichen Unternehmer für Sanitärinstallationen hoch. Seine Interessen reichen von Fragen des Sozialen bis zu Kunst und Kultur. Er hat gute bis sehr gute Kontakte zu Künstler:innen. Käthe Kollwitz ist eine enge Freundin. Als Gegenleistung für den Einbau einer Zentralheizung in Hölzels Haus erhält Beck Anfang der 1940er-Jahre einen großen Teil von dessen Nachlass. In seinem Entnazifizierungsverfahren führt Beck seinen Einsatz für die moderne Kunst als Beleg seiner Opposition gegenüber dem NS-Regime an. Er unterstützt verfolgte Künstler:innen und rettet Kunstwerke.
Hölzels Fenster für das Rathaus sind heute nur unvollständig erhalten und befinden sich in Staatsgalerie Stuttgart und dem Kunstmuseum Stuttgart. Die Galerie der Stadt Stuttgart erwarb 1981 ein Fragment von der Familie Beck.

, Hölzels künstlerische Entwicklung, sein Umgang mit Farbe, Form und Linie, machen sein Werk leicht übertragbar in die Glasmalerei. So verwundert es nicht, dass er mehrfach mit entsprechenden Entwürfen betraut wird. Den ersten Auftrag erhält er 1915 für das Konferenzzimmer der Keksfabrik Bahlsen in Hannover. Die Fenster gehören zu den frühesten Beispielen abstrakter Glasfensterkunst.
Bei ihrem Entwurf kann Hölzel insbesondere seine Idee einer »musikalischen Malerei« verwirklichen, werden doch die Farben durch das transparente Glas und den Lichteinfall in ihrer Wirkung und Leuchtkraft zusätzlich gesteigert und erhalten eine Immaterialität, wie es eigentlich der Musik zu eigen ist. Hölzel, der aus einem musikalischen Elternhaus stammt und selbst bis ins hohe Alter Geige spielt, sucht immer wieder das Gemeinsame von Malerei und Musik. So fordert er auch für die Malerei eine verbindliche Harmonielehre, wie es sie für die Musik bereits gibt. Ähnlich den Notenschlüsseln legt er Farbenschlüssel fest, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Farbkontraste ins Gleichgewicht gebracht werden. Als Grundlage entwickelt er hierfür mehrere Farbkreise, ausgehend vom Urdreiklang der drei Grundfarben bis hin zu einem zwölfteiligen Farbkreis mit Primär-, Sekundär- und Tertiärfarben. Auf dieser Basis komponiert Hölzel, ähnlich wie der von ihm verehrte Johann Sebastian Bach, seine polyphonen Werke. Ein besonderes Augenmerk legt er hierbei auf den von ihm für die Malerei definierten Septimenschlüssel, bei dem er die im achtteiligen Farbkreis nebeneinanderliegenden oder in größter Distanz zueinanderstehenden Farbpaare verwendet. Zum Ausgleich werden diese in reine Farben eingebettet. Die sogenannten Nichtfarben wie Schwarz, Weiß oder Grau entsprechen für ihn den Pausen in der Musik.
Neben der Farbgestaltung spielt zudem die Form eine wichtige Rolle. Bestimmend ist bei jeder Teilscheibe eines gesamten Fensters eine Rundform, denn für Hölzel ist der Kreis Sinnbild für Einheit und Harmonie. Diese muss nicht zwingend mittig angeordnet werden, kann sie doch in der Größe variierend und andere Teilgläser zusammenfassend immer die angestrebte Harmonie unterstreichen.

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Fenster aus dem Treppenhaus des ehemaligen Stuttgarter Rathauses
Fenster aus dem Treppenhaus des ehemaligen Stuttgarter Rathauses
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Werkdaten
Inventarnummer: V-0547
Material / Technik: Farbige Gläser, Bleiruten, Farbflächen mit Schwarzlot konturiert
Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz

1928–1928 Adolf Hölzel, Stuttgart; 1928–1938 Rathaus, Stuttgart; 1937 von der NS-Stadtverwaltung ausgebaut und eingelagert; 1938–1949 Paul Beck, Stuttgart; 1949–1981 Helmut Beck, Stuttgart; 1981 Städtische Galerie, Stuttgart

Lizenzhinweis
Foto: Kunstmuseum Stuttgart, Frank Kleinbach
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