
Joseph Kosuth reproduziert hier das um 1470 von Hans Memling gemalte Bildnis der Maria Maddalena Baroncelli als Schwarz-Weiß-Abzug. Zudem vergrößert er es, dreht es um 180 Grad auf den Kopf und platziert es mit einem angefügten Text vor weißem Grund. Wer mit dem kunsthistorischen Kanon vertraut ist, erkennt, dass es sich um die rechte Tafel eines Triptychons und Hochzeitsbildes handelt. Wie in dem Genre üblich ist die Braut ihrem Bräutigam Tommaso di Folco Portinari zugewandt. Er ist seinerseits ihr zugewandt auf der linken Tafel dargestellt. Indem Kosuth diesen Kontext jedoch völlig auflöst, entzieht er das Bild seiner konventionellen Lesbarkeit. Auch die heute museale Präsentation im Metropolitan Museum of Art in New York spielt keine Rolle mehr.
Kosuth ist ein wichtiger Vertreter der amerikanischen Konzeptkunst. Sprachlich begründete Prozesse treten an die Stelle traditioneller, form- und inhaltsbestimmter Kunst. Kosuth bezieht das kunsthistorisch konventionalisierte Zeichensystem der Genremalerei auf eine Art privatsprachliches System aus farbigen Kreuzen. Die Leser:innen sind aufgefordert, die im Textblock angezeigte Reihenfolge der Kreuze beim Betrachten des Bildes einzuhalten. Kosuth demonstriert damit, wie sehr die zur Gewohnheit geformte Bedeutung eines Bildes von einem ebenso nach Gewohnheit suchendem Blick abhängt.
Werkdaten
- Inventarnummer: 2003-008
- Material / Technik: Gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie mit auf der Oberfläche angebrachten farbigen X's
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart