Wie von einem Erdbeben erschüttert, droht die Stadtlandschaft in sich zusammenzustürzen, die asphaltierte Erde hat sich bereits geöffnet. Die kostbaren Säulen des Altbaus lösen sich aus ihren Fundamenten und sowohl die Wetterfahne in Gestalt eines Engels als auch die an einen gotischen Wasserspeier erinnernde Regenrinne mit dem weit aufgerissenen Maul können offensichtlich Böses nicht mehr abwenden. Sogar der Rauch des Schornsteins kommt dem Erker des Hauses gefährlich nahe. Zwar dominiert die alles überragende Industrielandschaft das Stadtbild, aber auch sie hat bereits Risse bekommen und droht, ähnlich wie die gotische Kirche, Schaden zu nehmen. Der surreal anmutende, verschachtelte Bildaufbau unterstreicht das Gefühl des Bedrohlichen, das auch die menschliche Figur auf dem Tennisplatz am rechten Bildrand nicht zu mindern vermag. Ohne Gesicht und Geschlecht spielt sie unbeeindruckt vom Geschehen um sie herum mit ihrem Ball.
Mit seinem altmeisterlichen, detailgenauen Malstil ist Volker Böhringer ein wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit, lässt aber auch eine große Nähe zur Kunst des Surrealismus erkennen, in der uns unklar definierte Räume sowie gesichtslose, puppenartige Menschen häufig begegnen. Obwohl Volker Böhringer den technischen Neuerungen seiner Zeit offen gegenübersteht, blickt er immer wieder kritisch auf die landschaftlichen Veränderungen infolge der Industrialisierung. Entstanden 1935 darf dieses Gemälde sicherlich als Symbol der Zeit gesehen werden. Nach den Wirren des Ersten Weltkriegs sowie einer Stabilisierung in den 1920er-Jahren scheint die Welt für diesen modernen Maler aus den Fugen zu geraten. 1936 wird Böhringer von den Nationalsozialisten mit einem Ausstellungs- und Arbeitsverbot belegt.
Werkdaten
- Inventarnummer: O-1044
- Material / Technik: Öl, Tempera und Metallauflagen auf Hartfaserplatte
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz
1935–1952 Volker Böhringer, Stuttgart; 1952, Mai Volker Böhringer/Heinrich Wildemann, Württembergischer
Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, Doppelausstellung Volker Böhringer, Heinrich Wildemann; 1952 Städtische Galerie, Stuttgart