Anna Tauber

Größe190 x 165 cm

Anna Tauber schaut uns an, aber wo blickt sie wirklich hin? Ihr linkes Auge ist weit geöffnet, sucht sein Gegenüber. Keine Wimper stört das große Rund der dunklen, geradeaus schauenden Pupille. Daneben leitet die verschobene Nase zu dem tief unterhalb des Brauenbogens verborgenen Auge über. Anna Taubers rechte Gesichtshälfte sowie der schöne volle rote Mund und das Kinn sind in leicht seitlicher Dreiviertelansicht zu sehen. Ihre hohe Stirn und das streng gescheitelte dunkle Haar schließen ihr Gesicht nach oben ab.
Das eindringlich blickende Auge zieht uns unwillkürlich in seinen Bann. Die surreale Verfremdung des Gesichts wirkt bei längerer Betrachtung aber zunehmend verstörend und abweisend. Die Distanziertheit der betrachtenden Person zum Bildgegenstand unterstreicht Lambert Maria Wintersberger durch seine Malweise. Kein sichtbarer Pinselstrich stört die Darstellung, alles erscheint glatt, fast kühl. Die Konturen sind scharf, das Farbspektrum ist zurückgenommen und gedämpft. Dieser Kontrast von Anziehung und Abweisung verhindert, dass wir Anna Tauber wirklich näherkommen.
Ausgebildet als Dekorationsmaler, kommt der junge, 1941 in München geborene Wintersberger schon früh mit der Welt des Konsums und der Werbung in Kontakt. Als er 1964 in das politisch aktive Berlin zieht, steht nicht dessen verführerische Seite im Mittelpunkt seiner Kunst, sondern gerade das Gegenteil. Die Verletzlichkeit des Menschen, das Streben nach scheinbaren Idealen von Konsum und Schönheit beschäftigen ihn. Genau diese Brüchigkeit zeigt Anna Tauber. So wie sich ihr Gesicht der einheitlichen Perspektive und Betrachtung entzieht, vermittelt es eine Ahnung von der inneren Zerbrechlichkeit der Dargestellten.

Werkdaten
Inventarnummer: O-2734
Material / Technik: Acryl auf Leinwand
Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Lizenzhinweis
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023 / Foto: Uwe H. Seyl, Stuttgart
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