Brieflesendes Mädchen

Größe81,3 x 60,5 cm

Gerade noch hat das junge Mädchen den Brief gelesen, den es in den Händen hält. Doch der Blick schweift in die Ferne, er wird geleitet von den geschriebenen Zeilen. Was mag wohl auf dem Papier stehen? Weder das Blatt noch der Umschlag, der auf dem Tisch liegt, verraten etwas über den Inhalt des Briefes, seine Herkunft oder an wen er sich richtet.
Die Körperhaltung, die Gestik und der Blick der Porträtierten strahlen Ruhe und Harmonie aus. Die eher gedämpft wirkenden erdigen Farben unterstreichen diese Atmosphäre. Selbst das Oberteil des Mädchens und seine weiße Kopfbedeckung ordnen sich der Gesamtstimmung unter. In den Augen greift Karl Hofer das Dunkel des blauen Rocks und der im Hintergrund liegenden Wand auf und setzt dadurch einen Akzent im Gesicht des Mädchens.
Karl Hofer umkreist in seiner Malerei die Themen „Landschaft“, „Stillleben“ und „Menschendarstellung“. Im letztgenannten Thema sucht er nach einem allgemeingültigen, vom klassischen Ideal geprägten Stil. Entwickelt hat er diesen in den 1920er-Jahren. In einer Zeit, in der andere Maler:innen in ihren Werken den Krieg und seine Folgen laut anklagen, geht er den Weg der Innensicht. Auch dieses Bild, das in Berlin entsteht, nachdem sein Atelier mit einem Großteil seines Lebenswerks bei einem Bombenangriff zerstört wurde, verrät nichts von den äußeren Umständen des Krieges. Die Ruhe und Melancholie, die das Mädchen ausstrahlt, ziehen uns in ihren Bann. Sie erzeugen einen Moment der Stille, der sich überträgt und Raum lässt für eigene Gedanken.

Werkdaten
Inventarnummer: O-1801
Material / Technik: Öl auf Leinwand
Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz

1943–o.D. Karl Hofer, Berlin; o.D.–26.2.1968 René Stein, Hamburg, Klein Flottbeck; 26.2.1968 Galerie der Stadt Stuttgart (Kunstmuseum Stuttgart)

Lizenzhinweis
© VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / Foto: Kunstmuseum Stuttgart
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